Da war mir klar - das wird keine einfache Sache
Unser Sohn Florian wurde im Juni 2000 geboren. Wenige Tage nach der Geburt mussten wir wegen einer akuten Erkrankung wieder in die Klinik. Und da war auch schon der erste epileptische Anfall. Trotz Medikamente ging es weiter und wenige Monate später gab es schon sehr heftige Anfälle.
Da war mir klar: das wird keine einfache Sache.
Ich habe Kontakte zur Selbsthilfe gesucht und auch die Möglichkeit einer medizinischen Zweitmeinung genutzt. Das war sehr wichtig für uns. Anfangs sind wir noch im Unklaren gewesen, was die Zukunft bringt, auch wurde die Epilepsie sehr bagatellisiert. Wir konnten das so nicht hinnehmen. Erst das Gespräch mit einer Epileptologin hat uns Klarheit verschafft, wie der Weg wird, wenn`s schwierig wird. Nach langen Klinikaufenthalten mit umfangreicher Diagnostik und medikamentösen Versuchen die Anfälle in den Griff zu bekommen, wurde uns richtig klar, dass Florian eine schwere Erkrankung und Behinderung haben wird. Und das dauerhaft.
Die ersten 3 Jahre waren gut abgesichert. Unabhängig von gesund oder krank hatten wir eingeplant, viel Zeit mit unserem Kind zu verbringen, ich in Elternzeit, meine Frau als Hauptverdienerin. Das war für uns die richtige Rollenverteilung. Der Kontakt zu anderen Familien in der Selbsthilfe war mir immer sehr wichtig und hilfreich. Ich habe dann auch einen Weg gefunden, in Teilzeit meine beruflichen Kompetenzen in der Selbsthilfearbeit und -organisation einzubringen. Mit hohem Einsatz von vielen Befürwortern haben wir so zum Beispiel auch die Epilepsie Beratung Schwaben mit auf den Weg gebracht!
Es ist natürlich schon so, dass die Behinderung das Leben in unserer Familie stark beeinträchtigt hat. Urlaub, mal zwei Wochen am Stück, wie andere Familien das machen, so was gab es nie. Schwierig auch, Zeit für uns als Ehepaar zu finden oder jeder für sich zur Ruhe zu kommen. Man lernt dann den Blick zu schärfen, was wirklich wichtig ist. Es relativiert sich, was Probleme sind.
Wir haben es geschafft, als Familie zusammenzuhalten. Auch unsere Partnerschaft hat gehalten. Wir haben nicht aufgegeben und gemeinsame Perspektiven entwickelt. Unsere Familien und das soziale Umfeld auf unserem kleinen Dorf standen immer hinter uns. Und da, wo wir an unsere Grenzen kamen, haben wir uns Hilfen geholt. Sei es von Ärzten, der Selbsthilfe, Psychologen oder der Epilepsie Beratung. Auch unser Sozialstaat bietet so vieles, um die Belastung überhaupt bewältigen zu können. Das hat nichts mit Anspruchsdenken zu tun. Niemand kann uns das Schwere abnehmen. Aber wenn man sich nicht isoliert, nach außen geht und Angebote nützt, hilft es, das Schwere zu tragen.
Florian ist jetzt 18 Jahre. Er hat sich trotz all seiner Behinderungen zu einem so lebensbejahenden Menschen entwickelt. Seit 4 Wochen ist er von zu Hause ausgezogen und lebt in einer freundlichen Pflege-WG. Es war keine leichte Entscheidung, die Erinnerung an den Zusammenbruch während seiner kurzen Internatszeit vor 10 Jahren lebt da wieder auf. Schuldfrage? Doch Florian ist reifer. Er ist gern mit Gleichaltrigen zusammen, kommt mit anderen Personen und neuem Umfeld gut zurecht. Wir haben den Eindruck, im Ablöseprozess von den Eltern ist unser Sohn ganz normal entwickelt.
Auch für mich ist das richtig. Ich fühle mich zwar nicht alt. Aber es war nie mein Plan, mit 70 noch meinen erwachsenen behinderten Sohn zu pflegen.
Günter, Vater von Florian, 18 Jahre