Veränderungen im Leben einer Frau
Der 5. August 2015 wurde zu einem Wendepunkt in meinem Leben. Ich war kerngesund, unbeschwert und gerne beim Wandern und beim Schwimmen. Es war an einem hektischen Tag, in unserem Haus wurden die Fenster ausgetauscht. Ich fühlte mich gestresst und hielt es für eine gute Idee, mit unserem Hund eine kleine Runde zu drehen. Außerdem wollte ich mit dem Auto noch zur Tankstelle fahren. Meine letzte Erinnerung ist, dass ich dort zahlen wollte. Dann stellte mir ein netter Mann einige Fragen. Irgendwie kam ich ins Krankenhaus, die Untersuchungen dort bekam ich auch nicht richtig mit. Die Ärzte erklärten mir, ich hätte einen Anfall gehabt. Im Krankenhaus hatte ich noch einen zweiten Anfall.
Ich bekam von den ganzen Vorgängen fast nichts mit. Mal ein paar Bilder, mal ein paar Geräusche und mit den Erklärungen konnte ich auch nichts anfangen. Wieder ganz bei Sinnen, empfand ich alles nicht so dramatisch. Ich wurde medikamentös behandelt und war mir sicher, dass es jetzt ausgestanden sei.
Vier Wochen später hatte ich allerdings einen weiteren Anfall und es folgten weitere. Schnell wurde mir klar, dass die Anfälle bei mir zyklusbedingt waren und dies vielleicht mit den hormonellen Veränderungen in den Wechseljahren zusammenhing. Ich sprach meinen Arzt darauf an. Obwohl er wusste, dass dies in der Literatur beschrieben ist, war es für ihn Neuland. Statt Keppra bekam ich Lamotrigin, das in diesem Fall empfohlen wird und auch tatsächlich geholfen hat. Von Monat zu Monat wurden die Anfälle schwächer. Es waren insgesamt 3-4 große Anfälle und 15 Absencen bis September 2016.
Jetzt darf ich wieder Auto fahren und habe neues Vertrauen ins Leben gefasst.
Was sich durch die Erkrankung in meinem Leben veränderte?
Es war unangenehm, dass die Krankheit so viel Platz einnahm, Zeit und Energie beanspruchte. Ich musste andere damit belasten, vor allem mein Mann machte sich große Sorgen. Durch meine Erkrankung wurde ich aufmerksam auf einen wunden Punkt in meinem Leben. Ich leide darunter, dass ich an dieser Situation nichts ändern kann. Durch meine Krankheit habe ich jetzt mehr Klarheit und weiß, wie wichtig es ist, dies einfach zu akzeptieren.
Nachdem ich nun fast zwei Jahr anfallsfrei bin, ist auch wieder mehr Platz für anderes. Geblieben ist, dass ich ungern Treppen hinab steige. Angstfrei schwimmen werde ich leider nur noch unter Aufsicht im Becken oder Uferbereich. Beim Wandern muss ich die Route im Vorfeld abklären. Trittsicher bin ich, aber ausgesetzte Stellen, die Schwindelfreiheit erfordern, lass ich lieber.
Ich ging mit meiner Erkrankung immer offen um.
Nachdem ich meine Anfälle selbst nicht bemerkt habe, kenne ich auch keine Angst vor Blamage. Ich habe mich wegen der Epilepsie auch nicht zurückgezogen. Die Angst vor Verletzungen durch einen Anfall ist mir natürlich vertraut. Bei meinem ersten großen Anfall hat mich ein Mann aufgefangen, der hinter mir an der Kasse stand. Ich habe ihn nie kennengelernt und konnte mich so auch nicht bei ihm bedanken. Wer weiß, wie mein Leben ohne seine Hilfe verlaufen wäre.
Eventuelle Vorurteile gegenüber Menschen mit Epilepsie habe ich nicht bemerkt. Familie, Freunde, Bekannte und auch die Kollegen haben mir immer das Gefühl gegeben, gut aufgehoben zu sein.
Sehr hilfreich war für mich die Epilepsieberatung. Da war jemand, der sich auskannte und mich verstand. Ich konnte erzählen und fühlte mich nicht mehr alleine. Dies hat Druck von mir und von meiner Familie genommen. Ich wünsche mir, dass die Erkrankung in der Öffentlichkeit vorurteilsfrei gesehen wird.
Claudia, Betroffene, 53 Jahre